Darmbeschwerden und ‚Reizdarm‘: auch an seltene Ursachen denken!

Von |Veröffentlichung: 23. Juni 2017|Aktualisierung: 03. Februar 2022|Ansichten: 40324|Kategorien: Allgemein, Reizdarm|Lesezeit: 9 min|

Leiden Sie unter chronischen Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen, Durchfällen oder Verstopfung?

Oft wird dann ein sog. “Reizdarm” festgestellt.

Die Diagnose „Reizdarm“ wird in der Regel als Sammelbegriff für verschiedenste unklare Magen-Darm-Beschwerden verwendet. Offiziel ist der Reizdarm eine sog. Ausschluß-Diagnose, d.h. es müssen eigentlich zuerst andere auslösende bzw. zugrundeliegende Erkrankungen ausgeschlossen werden bevor man von einem „echten“ Reizdarm sprechen kann.

In der Praxis erlebt man oft die Situation, dass einige Untersuchungen wie z.B. ein Bluttest, eine Magen- und/oder Darmspiegelung oder ein Laktose-/Milchzucker-Test durchführt werden. Wenn diese Untersuchungen dann unauffällig sind, wird von einem „Reizdarm“ gesprochen. Es ist dann eher eine „Verlegenheits-Diagnose“ oder wie ein Darm-Experte es kürzlich nannte eine „diagnostische Bankrott-Erklärung“.

Die Folge: Wenn man keine Ursache findet, gibt es keine gezielte Therapie („damit müssen sie leben…“). Die Beschwerden halten an und Betroffene leiden weiter. Dieses Vorgehen greift zu kurz und ist nicht hilfreich für die betroffenen Patienten.

Magen-Darm-TraktWichtig ist Folgendes: Neben den o.g. Untersuchungen gibt es noch zahlreiche weitere mögliche Gründe für chronische Magen-Darmbeschwerden bzw. einen Reizdarm.

Um diese Ursachen zu klären und gezielte Therapien einzuleiten, braucht man eine ausführliche Befragung des Patienten, verschiedene Untersuchungen und Tests (Blut, Stuhl etc.) sowie ggf. diagnostische Auslassversuche/Eliminationsdiäten.

An folgende mögliche Ursachen für chronische Magen-Darmbeschwerden und Reizdarm sollte man auch denken:

  • Störungen der Darmflora und Leaky gut (sehr häufig)
  • Kohlenhydrat-Intoleranzen (Laktose, Fruktose, Sorbit)
  • FODMAP-Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
  • Glutensensitivität (Zöliakie-unabhängige Weizenempfindlichkeit)
  • Histamin-Intoleranz (oft erworben)
  • Lektin-Unverträglichkeit
  • SIBO (Dünndarmfehlbesiedlung)
  • Nahrungsmittel-Allergien vom verzögerten Typ 3
  • seronegative intestinal-vermittelte Allergien
  • Mangel an Verdauungsenzymen
  • Darm-Entzündungen
  • Darmpilze …

Die Herausforderung in der Praxis besteht darin, aus den vielen möglichen Gründen für Magen-Darmbeschwerden diejenigen herauszufinden, die für den einzelnen Patienten wichtig sind. Dann kann man gezielt behandeln.

Das benötigt viel Wissen und Erfahrung auf Seiten des Therapeuten. Und der Patient muss aktiv mitarbeiten, seine Ernährung umstellen, Geduld mitbringen und sich bestimmtes Wissen aneignen. Und man braucht Zeit (keine 8 Minuten-Medizin).

Fazit: Chronische Magen-Darmbeschwerden sind ein häufiges und zunehmendes Problem. Betroffene Patienten leiden viele Jahre und Jahrzehnte.
Als Ursache kommen viele verschiedene Faktoren, Ernährungsfehler, Stoffwechselstörungen und Darmerkrankungen in Frage. Oft liegen mehrere Probleme gleichzeitig vor. Die ‚Standard-Untersuchungen‘ beschäftigen sich oft nur mit einem Teil der möglichen Ursachen.

Die besten Erfolge erzielt man durch eine gründliche Diagnostik, die möglichst alle Einflussfaktoren berücksichtigt. Erst danach ist einen gezielte Therapie möglich, die immer individuell auf den Patienten abgestimmt sein muss. Mit dieser Kombination sind die Erfolge dann deutlich besser. Das zeigen über 15 Jahre Erfahrung aus meiner Darmsprechstunde.

Auch in meiner Online-Ernährungsberatung www.Lieberleichter.de beschäftigen wir uns mit diesem Thema.

Hier sehen Sie ein Interview zum Thema Darmgesundheit und ganzheitliches Vorgehen bei ‚Reizdarm‘.
(Das Video stammt aus dem hervorragenden Online-Kongreß „Food as Medicine“ von Dr. Jens Freese) 

Herzliche Grüße aus der Praxis für Ernährungsmedizin in Hamburg
Niels Schulz-Ruhtenberg
Facharzt für Algemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin
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Magen-Darm-Beschwerden durch eine gestörte Darmflora

Gerade wenn sich bei den allgemein-üblichen Untersuchungen (Blutbild, Utraschall, Magen-Darm-Spiegelung, Laktose-Test) keine Ursache für diese Beschwerden finden lassen, kann die Ursache für solche Krankheiten und Beschwerden oft (auch) im Bereich der Darmflora liegen.13013677_s

Im menschlichen Darm leben Millionen verschiedener Bakterienarten, dies bezeichnet man als Darmflora. Darunter gibt es viele lebenswichtige Bakterienarten mit wichtigen Aufgaben für die Gesundheit:

•    Verwertung und Verdauung von Nahrung, Vitaminen etc.
•    Schutz vor Infektionen, krankmachenden Erregern, Pilzüberwucherung
•    Unterstützung des Immunsystems
•    Förderung einer gesunden Verdauung und Stuhlgang

Diese gesunden und wichtigen Darmbakterien sind in ihrem Wachstum von unserer Nahrung und deren Zusammensetzung abhängig.

Bei einseitiger, falscher Ernährung (z.B. Fertiggerichte, hektischem Essen unter Stress) fördern wir das Wachstum bestimmter ungesunder Bakterienarten, während wir andere gesunde Darmbakterien am Wachstum hindern.

So wird bei ballaststoffarmer (wenig Gemüse) und zu Fett- und Eiweißreicher Ernähung (in Deutschland sehr häufig!) das Wachstum von Fäulnisbakterien gefördert. Diese Bakterien bilden große Mengen an Gas mit der Folge von Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen.

Zudem können schädliche Stoffwechselprodukte dieser Bakterien in das Blut übertreten. Mögliche Folgen sind Kopfschmerzen/Migräne, Gelenkbeschwerden oder chronische Müdigkeit.

Die „gefühlte“ Nahrungsmittel-Unverträglichkeit

Die Störung der Darmflora  verursacht eine insgesamt schwache Verdauungs-Leistung, d.h. viele Lebensmittel werden nicht mehr gut vertragen. Dadurch entsteht oft der Eindruck, dass man eine Nahrungsmittel-Unverträglichkeit hat.

Oft sind aber nicht die (hoffentlich gesunden) Lebensmittel an sich das Problem, sondern das kranke bzw. geschwächte Magen-Darm-Verdauungssystem. Nach einer entsprechenden Therapie (Darmsanierung) verbessert sich die Verdauungs-Leistung wieder und dann können viele gesunde Lebensmittel auch wieder vertragen werden.

Unabhängig von unseren Nahrungsgewohnheiten gibt es noch andere Möglichkeiten, wie die Darmbakterien geschädigt werden können und so Magen-Darm-Beschwerden entstehen können:

•    durch anhaltenden Stress (beruflich oder privat)
•    durch Antibiotika
•    unerkannte Unverträglichkeiten (Laktose, Fructose, Gluten)
•    durch die Aufnahme Allergie-erzeugender Nahrungsmittel und Substanzen,
•    durch Strahlen und/oder Chemotherapie

Durch die Schädigung der Darmbakterien kann es dann zu einer Schädigung der Darmschleimhaut kommen. Da die Darmschleimhaut einer der wichtigsten Bestandteile unseres Immunsystems ist (ca. 75% aller Zellen des Immunsystems finden sich im Bereich der Darmschleimhaut), wird über eine Schädigung der Darmschleimhaut oft auch das gesamte Immunsystem geschädigt bzw. geschwächt.

Mögliche Folgen: Allergien, eine erhöhte Infektanfälligkeit (häufige Erkältungen), Pilz- und Haut-Erkrankungen sowie ein allgemeines Unwohlsein und eine Leistungseinschränkung. Auch die Neurodermitis und andere Ekzemerkrankungen haben oft einen engen Bezug zu einer kranken Darmschleimhaut.

Das Leaky gut-Syndrom (“Löchriger Darm“)

Unter einem Leaky gut versteht man eine Störung der Darm-Barriere. Wussten Sie, dass nur noch ganz wenige Menschen in der westlichen Welt einen wirklich gesunden Darm haben? Die Ursache sind zu wenige Ballaststoffe (zu wenig Obst und Gemüse) und zu viele Lebensmittel-Zusatzstoffe. Konservierungsstoffe konservieren nicht nur Lebensmittel, sie wirken auch im Darm und töten dort die guten Bakterien.

Man kann so gesund essen, wie man will: Wenn der Darm die Nahrung nicht ordentlich aufnimmt, wird man auf Dauer krank und übergewichtig. Dabei ist wahrscheinlich gar nicht einmal das Problem, dass wir zu wenig aufnehmen, sondern zu viel vom Falschen (sog. „Hyperpermeabilitätssyndrom des Darms“).

In der Medizin werden diese Veränderungen der Darmschleimhaut als “Leaky-Gut-Syndrom” bezeichnet (der leckende Darm).

Ein kranker Darm ist löchrig („Leaky-gut-Syndrom“). Durch diese zu großen Löcher gelangen Bruchstücke ins Blut, die nicht fertig verdaut sind und dort nicht hingehören. Sie fördern im Körper Entzündungen und Allergien. Und diese können krank machen und Übergewicht fördern.

Nicht nur krankmachende Darmbakterien und Pilze bilden Verdauungsgifte, sondern auch gesunde Bakterien. Normalerweise werden diese Gifte von einer gesunden Schleimhaut zurückgehalten. Beim “Leaky-Gut-Syndrom” ist die Schleimhaut so gestört, dass auch normale Verdauungsgifte in den Körper gelangen.

Durch eine spezielle Blut- und Stuhluntersuchung lässt sich die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut bestimmen.

Eine gesunde Darmschleimhaut nimmt keine Allergene auf, da diese durch das in der Schleimhaut befindliche Immunsystem sofort erkannt und unschädlich gemacht werden. Beim “Leaky-Gut-Syndrom” können Allergene ungehindert die Darmwand durchdringen und so eine generalisierte Allergie oder eine Nahrungsmittelallergie auslösen. Um zu verhindern, dass Allergene auf diese Weise in den Körper gelangen, muss sich die Schleimhaut wieder regenerieren und schließen. Dazu ist es notwendig, probiotische, effektive Mikroorganismen über einen längeren Zeitraum einzunehmen. Diese speziellen Mikroorganismen ernähren, reinigen die Darmschleimhaut und können die Schleimhautfunktion wieder herstellen.

Ziel ist es, die erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut wieder zurückzubilden und eine intakte Darmflora aufzubauen. Die Regeneration, d.h. die Wiederherstellung der Schleimhautfunktion, dauert je nach Ausgangssituation mehrere Monate bis zu 1,5 Jahre. In dieser Zeit ist es wichtig, den Darm bzw. die Darmschleimhaut mit den richtigen, gesunden Bakterien durchgehend zu therapieren.

„Man lebt nicht von dem, was man isst, sondern von dem, was man im Darm aufnimmt.“

Diagnostik: Die Stuhlflora-Analyse (Mikrobiom-Analyse)

Vor der Therapie steht bekanntlich die Diagnostik. Durch eine spezielle Darmflora-Analyse (Stuhlprobe) kann man Informationen erhalten über die Zusammensetzung der Darmbakterien, verschiedene Verdauungsbestandteile und noch einige Stoffe, die Aufschluß über Entzündungsvorgänge im Darm und Zustand der Darmschleimhaut und des Immunsystems geben. Diese Untersuchung wird als Stuhlflora- bzw. Mikrobiom-Analyse bezeichnet (IGeL-Selbstzahlerleistung für gesetzlich Versicherte).

Aufgrund des Ergebnisses dieser Analyse erhalten Sie konkrete Therapie- und Ernährungs-Empfehlungen, die Ihre Verdauung und die Regeneration Ihrer Darmschleimhaut und Ihres Immunsystems unterstützen. Parallel sollten evtl. noch andere Untersuchungen gemacht werden, um weitere Störfaktoren auszuschließen (s.o.).

Die Art und der Umfang der Therapie hängt wesentlich von Ihren Untersuchungsergebnissen ab. Die individuell beste Behandlungsform zeigt sich oft erst im Verlauf der Therapie. In der Regel kann ein Therapieerfolg nicht in wenigen Tagen oder Wochen geschehen! Die Therapie erfordert daher Ihre Mitarbeit und Disziplin bzgl. Ihrer Eßgewohnheiten und Ihre Geduld – mit allem zusammen können Sie ans Ziel kommen!

Häufige Ursachen für eine Schädigungen der gesunden und lebenswichtigen Darmflora:

  • häufige Therapie mit Antibiotika
  • Verzehr von mit Antibiotika belasteten Lebensmitteln, insbesondere Fleisch aus der Massentierhaltung
  • Verzehr Entzündungs-fördernder Nahrungsmittel, industriell verarbeitete Lebensmittel
  • Diverse Landwirtschaftsgifte, z. B. Pestizide, Glyphosat
  • Dauerhaft eingenommene Medikamente, die den pH-Wert im GIT verändern, z. B.
  • Protonenpumpenhemmer (Magensäure-Blocker), aber auch naturheilkundliche „Basentabletten“
  • Stress-Belastungen (Folge u.a. vermehrte Histaminausschüttung)
  • Unzureichend gekaute Nahrung, hektisches Essen, Fehlverhalten bei der Nahrungsaufnahme generell
  • Chronische erregerbedingte Infektionen, z. B. mit Parasiten
  • Chronische nicht-erregerbedingte Entzündungen unterschiedlicher Genese (Histaminose, Zöliakie/Sprue, Laktoseintoleranz)
  • Unerkannte und somit unbehandelte Störungen der Bauchorgane, wie z. B. Schwäche der Bauspeicheldrüsen-Verdauungsenzyme (exokrine Pankreasinsuffizienz), Gallestörungen
  • Belastungen mit toxischen Metallen, z. B. Aluminium durch E-Stoffe oder Medikamente
  • Strahlen- und Chemotherapie
  • Lebensstilbedingte Verstopfung durch Bewegungsmangel und Ernährungsfehler

Die menschliche Mikrobiota (Darmflora) hat sich in der Evolution über mehrere Millionen Jahre entwickelt. Viele der oben genannten Einflüsse sind vor allem in den letzten 50 Jahren entstanden. Die Mikrobiota kann sich nicht innerhalb dieser kurzen Zeit auf unsere veränderten modernen Lebens- und Ess-Gewohnheiten anpassen.

Gemüse_BüffetFolgende Krankheiten können durch einen kranken Darm (mit-) verursacht oder verstärkt werden:

  • Migräne
  • Depressionen, Angstzustände
  • Allergien, Heuschnupfen
  • Neurodermitis
  • Immunschwäche,
  • Infektanfälligkeit
  • Herz-Blutgefäßerkrankungen  
  • Rheuma
  • Asthma
  • Chronische Müdigkeit
  • chronische Schmerzleiden
  • Konzentrationsmangel
  • Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom

Fazit: Es lohnt sich also, sich um seine Darmgesundheit zu kümmern!

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